Brauchen wir die Taubengrippe, wenn wir Corona haben? Sollen wir Menschen dabei zuschauen, wie sie in ihren Wohnungen sitzen? Oder vor Angst aus dem Fenster springen? Ein Plädoyer für weniger Gegenwart und mehr Gefühl sind... Die Serien im Juli.
Sløborn (ZDF-Mediathek)
Die Serie "Sløborn" weckt jedenfalls reihenweise Assoziationen zur aktuellen Pandemie: Niesser in Slow-Motion, Menschen, die in Panik ausbrechen, und Leichen am Straßenrand. Das Bemerkenswerte: Die Serie von Christian Alvart war schon lange vor Corona in Arbeit und hat so tatsächlich etwas Prophetisches.
“Seit ich denken kann geht irgendwo die Welt unter: Artensterben, Urwaldrodung, Wirtschaftskrisen, Umweltverschmutzung, Terror, Klimakatastrophen - vielen Dank auch!” - Evelin
Die Serie trägt dick auf! Zu dick... Das wird schon an der 15-jährigen Protagonistin Evelin deutlich: Sie, eine reiche Investorinnen-Tochter, ist schwanger, will abtreiben, hat ein Verhältnis mit ihrem Lehrer, ihre Eltern lassen sich scheiden - was könnte da noch zum Drama passen? Ach ja, genau, ein tödliches Virus, das sie quasi schon frühzeitig in die Mutter-Rolle zu ihren jüngeren Brüdern drängt. Weitere Protagonisten: ein koksender Schriftsteller-Star, eine Gruppe rebellischer Ex-Knackis, und das Sondereinsatzkommando, das bald den örtlichen Polizeiprovinzler ablöst.
Die Serie entwirft anfangs ein spannendes Setting, tritt dann aber in die bekannte Tatort-Falle: zu plakative Figuren, zu spießige Schocker, zu oberflächlich vorgetragene Gesellschaftskritik und willkürlich vermengte Themen. Das kann erzählerisch trotz guter Machart und beeindruckender Landschaftsaufnahmen über acht Stunden nicht gut gehen - spätestens als der geniale Autor im Wahn aus dem Fenster springt, wird das klar!
BINGE-FAKTOR: 📺 📺
Kontaktlos (HR/ARD-Mediathek)
Nochmal Corona, nochmal Angst, nochmal Dystopie: Wenn unsere Nachrichten schon so wenig abwechslungsreich sind, wieso nicht noch die Serien und Filme mit den immer gleichen Viren infizieren - so denkt man anscheinend beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk (als Mitarbeiter lege ich den Finger gerne in die Wunde).
Wenn die Serien dann zumindest gut wären - sind sie aber nicht! Auch nicht mit einem "erschreckenden" Zukunftsszenario anno 2040 von übermächtigen Konzernen und frischluftfürchtenden Protagonisten. Warum Leuten dabei zuschauen, wie sie vor ihren Computern im Wohnzimmer sitzen? Dazu kommt ein allzu gegenwärtiger kalauernder Ficki-Pippi-Humor, den die Macher wohl für gewagt halten, der aber nur peinlich ist.
Der Plot um einen verschwörerischen Geheimplan einer Biotech-Firma sowie die beiden Hauptfiguren, Max und Felina, die diesen von zu Hause aus aufdecken wollen, ist ein einziges ärgerliches Klischee. Die unterirdischen Dialoge und die unterdurchschnittliche Schauspielleistung unterstrichen das noch. So entsteht in den sechs 15-minütigen Folgen keinerlei Identifikation, Spannung oder Erkenntnisgewinn.
BINGE-FAKTOR: 📺
Normal People (Starzplay/Amazon)